Die affirmative Rede der Kunst- und Kulturhistorikerin Mieke Bal für die Bedeutsamkeit der Materie, die ich hier an den Anfang meiner Arbeit stelle, reiht sich ein in ein seit den späten 1980er Jahren erstärktes Interesse innerhalb der Geisteswissenschaften an einer Neuverhandlung und Neubestimmung materieller Dimensionen und Materialisierungsprozesse. Um eine programmatische Wende weg vom sozialen De/Konstruktivismus zu markieren, der Wissen als allein durch soziokulturelle, diskursive und kognitive Prozesse konstituiert betrachtet hätte, wurde ein sogenannter material turn ausgerufen. Radikale Erkenntniskritiken systemtheoretischer oder de/konstruktivistischer Theorien hätten alles ausgeblendet, was jenseits der menschlichen Erfahrung liegt und moderne und humanistische Binaritäten wie Natur/Kultur oder Subjekt/Objekt stillschweigend und implizit aufrechterhalten, so die Kritik aus dem Kontext einiger materialistischer Neujustierungsversuche. Einer Befreiungsproklamation aus diesen Reihen von einem vermeintlichen und grundsätzlichen Korsett der Sprache, des Symbolischen und der Repräsentation schließt sich die vorliegende Untersuchung jedoch nicht an, auch wenn die Bedeutung der Materie und der Materialisierung einen entscheidenden Ausgangspunkt darstellt. Während das Konzept eines turns auf eine paradigmatische Wende bzw. einen Bruch im akademischen Feld verweist, zielt diese Arbeit darauf ab, nach den Dis/Kontinuitäten, Unverträglich-/Anschlussfähigkeiten und Verschiebungen (Beugungen) der Nuancierungen zwischen dekonstruktivistischen sowie poststrukturalistischen Ansätzen und aktuell verhandelten neumaterialistischen Ansätzen zu fragen.